Hunger als Waffe in Gaza: Kinder zahlen den Preis, ein Leben lang

3 Kinder sitzen inmitten von Trümmern auf einer Decke
In Gaza sind derzeit über 93 Prozent der Kinder von „schwerer Ernährungsunsicherheit“ betroffen. Direkter ausgedrückt: Sie befinden sich in einem Zustand des Hungerns, der zum Tod führt. 

Wenn ein Kind hungert, beginnt ein grauenvoller Prozess, der für Eltern emotional kaum zu ertragen ist. Ein hungerndes Kind wird anfällig für Infektionen wie Lungenentzündung und Durchfallerkrankungen, die dann oft tödlich verlaufen. Der Körper geht in den Überlebensmodus und schaltet zunächst weniger kritische Funktionen ab. Irgendwann beginnen lebenswichtige Organe wie Herz, Leber und Nieren zu versagen. Bei Säuglingen wird die Gehirnentwicklung geschädigt, wenn ihnen grundlegende Nährstoffe fehlen. Selbst wenn ein Kind überlebt, können langfristige Folgen wie Lernschwächen und tiefe seelische Wunden bleiben.  

Viele Eltern verzichten tagelang auf Essen, um wenigstens ein Kind ernähren zu können – und müssen oft in Kauf nehmen, dass ein anderes hungert. Manche Kinder haben seit Monaten kein frisches Gemüse, keine Milch, keine Proteine mehr zu sich genommen. Medizinisches Personal berichtet von Kindern, die völlig apathisch, still und ausgezehrt ins Krankenhaus gebracht werden – zu schwach, um zu essen, zu unterernährt, um zu überleben. Schätzungen zufolge sind zuletzt innerhalb von zwei Tagen zwölf Säuglinge und Kleinkinder an Hunger oder hungerbedingten Krankheiten gestorben. Doch diese Zahl spiegelt nicht das tatsächliche Ausmaß wider. Viele Kinder erreichen die wenigen verbliebenen Krankenhäuser in Gaza gar nicht. Diese Todesfälle bleiben ungezählt. Und zu jedem verstorbenen Kind kommen Tausende, die ums Überleben ringen. 

Ein hungerndes Kind zu sehen, ist ein traumatisches Erlebnis, das tiefe Spuren hinterlässt. Und die erschütternde Realität ist: Diese Hungersnot ist kein unbeabsichtigtes Unglück. Sie ist Folge bewusster Entscheidungen der israelischen Regierung. Die systematische Blockade von Hilfsgütern, die Zerstörung wichtiger Infrastruktur und der gezielte Angriff humanitärer Einrichtungen haben die Versorgung von Kindern mit Nahrungsmitteln nahezu unmöglich gemacht. 

Vergangene Woche hat sich die War Child Alliance mit über 100 anderen humanitären Organisationen zusammengeschlossen, um auf die Hungerkatastrophe in Gaza aufmerksam zu machen. Mitarbeitende von War Child und unsere Partner leisten seit Beginn des Konflikts lebenswichtige Unterstützung für Kinder und ihre Familien – und haben bereits Hunderttausende Kinder erreicht. Seit Wochen kämpfen auch sie darum, überhaupt noch Nahrung zu finden. Sie stehen an der Belastungsgrenze, sind geschwächt vom Hunger – und gehen trotzdem weiter zur Arbeit. 

Stellungnahmen allein reichen nicht. Worte werden weder die Blockade durchbrechen noch die Kinder ernähren. Die Kinder brauchen unser gemeinsames Handeln. 

Der einzige Weg, das Verhungern von einer Million Kindern zu stoppen, ist ein sofortiger und bedingungsloser Waffenstillstand – sowie die vollständige Wiederaufnahme humanitärer Hilfe und die Wiederherstellung grundlegender Versorgungsstrukturen. 

Alle humanitären Organisationen müssen uneingeschränkten Zugang über sämtliche Grenzübergänge erhalten – mit garantierter Sicherheit für Hilfskonvois. Die Unterstützung muss auch die langfristige körperliche und psychische Erholung der Kinder ermöglichen, die von schwerer Mangelernährung betroffen sind. Denn selbst wenn die Angriffe irgendwann enden, werden viele von ihnen weiterhin mit schweren Folgen kämpfen. 

Darüber hinaus muss es eine internationale Untersuchung und Rechenschaftspflicht für den Einsatz von Hunger als Kriegswaffe im Rahmen der Genfer Konventionen und des Internationalen Strafgerichtshofs geben. Wenn wir zulassen, dass das Hungern weitergeht, schaffen wir einen gefährlichen Präzedenzfall: nämlich den, dass Hunger als Waffe moderner Kriegsführung akzeptiert und auch an anderen Orten eingesetzt werden kann. Die in der Nachkriegszeit entstandene weltweite Entschlossenheit, derartige Kriegsverbrechen nie wieder zuzulassen, beginnt zu bröckeln.  

Wir haben ein Mitglied unseres Teams in Gaza gebeten, zu schildern, wie es den Kindern in Gaza geht. Er sagte: 

„Sie müssen die Chance bekommen, zu leben, zu atmen und wieder Kind zu sein. Falls die Welt überhaupt noch ein schlagendes Herz besitzt, möge es jetzt zuhören.“ 

Gaza wird vor den Augen der Welt ausgehungert. Die Belagerung mag von der israelischen Regierung ausgehen – doch das Schweigen ist global. 

Im gemeinsamen Namen der Geschäftsführenden von: 

War Child Niederlande 
War Child UK 
War Child Schweden 
War Child Deutschland 
Children in Conflict (Mitglied der War Child Alliance) 
War Child Alliance Foundation