Leben in Beirut
Jeden Morgen wird Adil von seiner Mutter sanft wachgerüttelt. „Dann springe ich aus dem Bett, wasche mir das Gesicht und putze mir die Zähne. Ich frühstücke, und wenn meine Mutter in der Küche ist, helfe ich ihr und spiele mit meiner kleinen Schwester Masa.“ Adil lebt mit seinen Eltern, seiner großen Schwester, seiner jüngeren Schwester und mit seinem Freund Mohammad und dessen Familie zusammen. „Unser Zuhause ist eigentlich zu klein für uns alle, aber das macht mir nichts aus, denn ich liebe es, mit Mohammad zu spielen, und ich fühle mich hier sicher.“
Lauernde Gefahr
Draußen sieht die Sache anders aus. Adils Mutter sagt: „Generell ist das Leben in Beirut für uns nicht ungefährlich. Ich kann nicht allein nach draußen gehen und meine Kinder können nicht allein zu Hause sein. Manchmal sagt Adil, dass er draußen spielen will wie andere Kinder. Ich sage dann nein, weil er noch zu klein ist und es draußen gefährlich ist. Bei uns zu Hause und bei War Child ist es sicher, aber draußen ist es das nicht. Wir sind der Gefahr in Syrien entkommen, haben aber im Libanon noch keine wirkliche Sicherheit gefunden.“
Wir sind der Gefahr in Syrien entkommen, haben aber noch keine wirkliche Sicherheit im Libanon gefunden
Mutter von Adil (8) aus Syrien
Foto: Christian Harb
Foto: Christian Harb
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Stein, Papier, Schere
An Wochentagen geht Adil zu unserem sicheren Ort in seiner Nähe. Vor kurzem wurde eine neue War Child-Unterkunft eröffnet. „Wir fahren jetzt mit einem weißen Bus zum neuen Zentrum. Dort spiele und zeichne ich mit meinen Freunden. Ich mag die Spiele „Stein, Papier, Schere“ und „Kommando“ am liebsten. „Kommando“ ist ein Spiel, bei dem man gut aufpassen muss. Nur wenn der Lehrer „Kommando“ sagt, darfst du die Aufgabe lösen! Sonst verliert man. Ich gewinne sehr oft, sogar gegen Mohammad. Manchmal gewinnt er, aber meistens gewinne ich!“
Mit großen Schritten vorwärts
Adils Lehrerin, unsere Kollegin Mariné Mankouchian, erzählt von den Aktivitäten, die sie mit Adil und den anderen Schülern unternimmt. „Rollenspiele helfen den Kindern, über Gefühle wie Traurigkeit, Angst und Wut zu sprechen. Man merkt den Kindern an, dass sie von unseren Sitzungen profitieren. Sie sind begierig darauf, neue Dinge zu entdecken. Neben Lesen, Mathematik und Englisch bringen wir den Kindern bei, wie sie mit ihren Gefühlen umgehen, wie sie sich schützen und wie sie am besten um Hilfe bitten können. Sie verbessern sich mit Riesenschritten. Adils Mutter fügt hinzu: „Mein Sohn erzählt immer mit Begeisterung von den Dingen, die er bei War Child macht. Er hat dort eine tolle Zeit. Es ist sehr schön, dass er dort seine Energie rauslassen kann, denn zu Hause schafft er das nicht immer.“
Neben Lesen, Mathematik und Englisch bringen wir den Kindern bei, wie sie mit ihren Gefühlen umgehen, wie sie sich schützen können und wie sie am besten um Hilfe bitten.
Mariné, Trainerin bei War Child in einem unserer Zufluchtsorte im Libanon
Foto: Christian Harb
Foto: Christian Harb
Adil schläft nicht allein
Als die Sonne untergeht, ist es für Adil Zeit, ins Bett zu gehen. Bevor er unter die Decke krabbelt, spielt er mit seinem Lieblingskuscheltier. „Sein Name ist Panda. Ich mag Pandas, weil sie auf Bäume klettern und in den Bergen leben. Früher hatte ich oft Alpträume von Monstern, die mich verfolgten. Sie weckten mich auf und es dauerte eine Weile, bis ich wusste, dass ich in Sicherheit war. Wenn Panda neben mir im Bett liegt, fühle ich mich weniger allein. Ohne Panda fällt es mir schwer, einzuschlafen.“
Foto: Christian Harb
Den Krieg in ihren Köpfen beenden
Adil ist eines der 230 Millionen (!) Kinder, die im Krieg aufwachsen oder vor ihm fliehen müssen. Viele von ihnen schlafen nachts schlecht und bekommen kein Auge zu. Selbst das Lieblingskuscheltier, das Lieblingslied oder die Lieblingsgeschichte helfen nicht immer gegen die unangenehmen Erinnerungen und Geräusche. Doch auch wenn die Kinder schlafen können, werden sie oftmals von unheimlichen Träumen heimgesucht. Und tagsüber? Dann geht ihr Albtraum in gewisser Weise weiter. Denn der Albtraum heißt Krieg. Der Krieg, der sie ängstlich, wütend oder traurig macht – selbst wenn sie der Gewalt entkommen sind.
Jedes Kind verdient einen sicheren Ort
Weltweit geben wir Kindern einen Ort, an dem sie sicher sind – sowohl physisch als auch in ihren Köpfen. Hier lernen die Kinder, wie sie mit Gefühlen wie Angst, Wut und Traurigkeit umgehen können. Wir tun dies durch Bildung, Musik, Sport und Spiel. Auf diese Weise helfen wir den Kindern, ihre Angst zu überwinden und sich selbst und anderen wieder zu vertrauen. Das mag einfach klingen, ist aber entscheidend. Denn wenn Kinder sich sicher fühlen, trauen sie sich wieder zu träumen. Nachts im Bett – und tagsüber, wenn es um eine bessere Zukunft geht.